Was haben Energie und Laufen miteinander zu tun?
Im Rahmen der Wien Energie Sportwochen haben wir Gesundheitsexpertin Vera Mair befragt, wie Laufen und Energie genau zusammenhängen.
Wie hängen Energie und Laufen zusammen? Die Gesundheitsexpertin Vera Mair hat uns dazu Frage und Antwort gestanden. Ganz schön beeindruckend, was der menschliche Körper alles leistet.
Welche Rolle spielt Energie beim Laufen?

Energie bzw. die Energiebereitstellung ist das Um und Auf. Unsere Muskulatur bzw. Muskelzellen brauchen Energie, um unseren Körper durch Muskelarbeit von A nach B bewegen zu können. Die Schlüsselsubstanz, aus welcher unsere Zellen quasi ihren Treibstoff beziehen, nennt sich Adenosintriphosphat, kurz ATP. Durch die Spaltung in Adenosindiphosphat (ADP) entsteht Energie. Danach muss die Muskulatur wiederum ATP herstellen, um die körperliche Aktivität aufrechterhalten zu können.
Diese sogenannte Resynthese kann auf unterschiedliche Arten geschehen. Wenn es beispielsweise ganz schnell gehen und nicht lange halten muss, geschieht das durch Energieträger wie Kreatinphosphat. Wenn wir weiter laufen wollen, können die Energieträger je nach Intensität auch Kohlenhydrate (Glykogen), Fette (Fettsäuren) oder Eiweiße (Aminosäuren) sein. Dabei sind die Stoffwechselwege ganz unterschiedlich: Läuft man zum Beispiel locker und nicht am Anschlag, so spricht man von einem aeroben Stoffwechsel, hier wird die Energie unter Sauerstoffverbrauch freigesetzt.
Ist man dagegen sehr deutlich über seiner Schmerzgrenze unterwegs, beispielsweise beim alles herausholenden Zielsprint bei einem Halbmarathon, so spricht man von anaerober Energiebereitstellung, das heißt, die Energie wird ohne zusätzlichen Sauerstoff bereitgestellt.
Diese Form der Energiebereitstellung kann dann mit oder ohne Laktatproduktion verbunden sein, in unserem Beispielfall wird es mit Laktat passieren, weil wir für diesen Zielsprint gerade alles geben. Wobei an dieser Stelle auch erwähnt werden muss, dass Laktat an sich nichts Böses ist, im Gegenteil, auch Laktat kann als Energieträger verwendet werden, sein schlechter Ruf ist also nicht gerechtfertigt.
Wie lässt sich angesichts dieses physiologischen Hintergrunds die eigene Leistung verbessern?
Indem man die jeweils dominante, sprich für seine Anstrengungen benötigte Form der Energiebereitstellung und den dazugehörigen Stoffwechsel trainiert. Es geht also darum, zu wissen, was die physiologischen Anforderungen an meinen Körper sind, wenn ich beispielsweise einen Marathon laufen will. Denn es ist ein großer Unterschied, ob man für 400- oder 800-Meter-Läufe trainiert oder ob man sich auf Marathon- oder Ultradistanzen vorbereitet, da die jeweilige dominante Energiebereitstellung eine andere ist.
Bei kürzeren, dafür schneller absolvierten Strecken ist die Energiebereitstellung aus Glykogen wesentlich essenzieller, während bei Marathons der Fettstoffwechsel dominant ist. Wer also lange, d. h. über mehrere Stunden eine gleichmäßige Leistung bringen will, braucht einen gut funktionierenden Fettstoffwechsel und sollte diesen daher im Training immer wieder ganz gezielt trainieren, damit diese Energiebereitstellung im Bewerb dann richtig gut funktioniert.
Apropos Fett – wie wichtig ist die Ernährung beim Laufsport?
Zugeführte Energie, zum Beispiel durch kohlenhydrathaltige Getränke oder Gels während des Trainings oder eines Bewerbs, macht dann Sinn, wenn man insgesamt länger als 90 Minuten unterwegs ist. Reine Elektrolytgetränke können auch bei Hitze oder ab rund 60 Minuten Laufen sinnvoll sein. Tatsächliche Energie nehmen wir über Sportgetränke und Gels auf, die Zucker, sprich Glykogen, enthalten und uns somit als unmittelbare Energiequelle während der Belastung dienlich sind.
Hier geht es v .a. darum, dass man ein Produkt findet, welches man verträgt, denn unter körperlicher Belastung kann es beispielsweise bei stark fructosehaltigen Produkten bei vielen Läufer*innen zu Problemen wie Magenschmerzen, Völlegefühl, Darmkrämpfen oder Durchfall kommen. Dinge, die man weder im Training und schon gar nicht in einem Bewerb braucht. Seine etwaige Verpflegung sollte man also vorher unbedingt im Training bei einem ähnlich intensiven Lauf ausprobieren.
Wichtig ist aber nicht nur die Sporternährung in Training und Wettkampf, sondern auch die Ernährung im Alltag. Nur weil man als Sportler*in viel Energie während des Trainings verbrennt, ist das kein Freibrief, seinen Körper mit nährstoffarmen, leeren Zuckerkalorien zu quälen, indem man nach Lust und Laune Limonaden, Fast Food und Fertigprodukte konsumiert.
Gerade als Sportler*in sollte man bedacht darauf sein, was man isst. Denn unser Essen und unsere Getränke sind unser Treibstoff. Hier sollten wir auf besten Inhalt setzen, immerhin besteht das, was wir sehen – unsere Haut, unsere Muskeln, unsere Haare, unsere Gliedmaßen –, aus dem, was wir essen und trinken. Unser Essen wandert nicht einfach ohne Folgen durch uns hindurch, wir sind tatsächlich das, was wir essen. Wer also Leistung bringen will, ob in Laufschuhen, im Job oder daheim bei der Familie, der sollte darauf achten, was er zu sich nimmt. Ansonsten ist es kein Wunder, wenn der eigene Tank leer läuft und wir uns müde, schlapp und ausgebrannt fühlen.
Ebenfalls von sehr großer Bedeutung ist eine gesunde, gute Darmflora. Unser Darm ist für unsere gesamte Gesundheit, Immunsystem, Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden immens wichtig. Viele Ausdauerathlet*innen leiden unter einem sogenannten Leaky Gut Syndrom, einem durchlässigen Darm, der einige Probleme bereiten kann. Umso wichtiger ist es gerade als Läufer*in, seinem Darm Gutes zu tun. Das kann durch den regelmäßigen Verzehr von Sauerkraut oder Kefir passieren oder durch die tägliche nüchterne Einnahme von guten Darmbakterien (Probiotika).
Kann man beim Laufen eigentlich auch Energie tanken?
Gefühlt ja, und zwar im Sinne von Entspannung, Abschalten und Loslassen. Natürlich ist das auch typabhängig, nicht jeder findet beim Laufen die pure Entspannung. Aber für sehr viele Läufer*innen hat Laufen in niederintensiven Bereichen durchaus etwas Meditatives. Durch die rhythmische, gleichmäßige Bewegung und das Zusammenspiel mit dem Atem bei einem gemütlichen Lauf, v. a. in der Natur, kann unser vegetatives Nervensystem sich großartig beruhigen. Wir kommen in eine Art Flow und tanken dabei wieder auf. Nach einem stressigen Tag kann ein nicht forderndes, sondern angenehm erfrischendes Lauftraining also durchaus eine Art Tankstelle sein.
Du bist dafür bekannt, dass du mit deinen Klient*innen gerne ganzheitlich arbeitest. Welche anderen Bewegungsformen haben sich aus deiner Sicht für Läufer*innen zum Auftanken bewährt, um die eigene Energie wieder ins Fließen zu bringen?

Ich rate generell zu einem abwechslungsreichen Trainingsprogramm, um Körper und Geist umfassend zu trainieren. Ans Herz legen kann ich hierbei u. a. Faszientraining mit Hilfe von Hartschaumstoffrollen sowie Bällen in unterschiedlichen Größen und Stärken, ebenso wie gezieltes Faszien-Yoga, welches spielerisch und federnd ausgeführt wird. Ruhiger und entspannender geht es beim Yin Yoga zu, hier werden die Faszien in ihrer Tiefe bearbeitet, Energieblockaden werden durch das lange Halten der einzelnen Positionen gelöst.
Aus mentaler Sicht kann ich progressive Muskelentspannung, autogenes Training und geführte Tiefenentspannungen empfehlen. Auch Yoga Nidra, der Schlaf des Yogi, geht in diese Richtung. Danach fühlt man sich herrlich erfrischt und ausgeruht und spürt die gewonnene Energie. Ebenfalls sehr hilfreich sind Atemübungen aus dem Yoga, auch hier fühlt man sich danach wach, klar und entspannt.
Gerade mit Läufer*innen habe ich die Erfahrung gemacht, dass es sehr viel bringt, wenn man die Laufeinheiten durch die genannten Elemente ergänzt. Die Läufer*innen fühlten sich dadurch gelassener, insgesamt einfach besser und auch leistungsstärker, was sie auch bei ihren Wettkämpfen durch entsprechende Zeiten belegen. Abgesehen davon profitiert die Gesundheit durch ein facettenreiches Programm, welches nicht nur rein körperlich fokussiert ist, enorm. Man fühlt sich insgesamt fitter, mental stärker und läuft mit Freude und Leichtigkeit.
Mag. Vera Mair MSc. ist Gesundheitsexpertin in Wien und berät Unternehmen, Privatpersonen und Athlet*innen. Mehr unter www.gesundheitsconsulting.at sowie auf ihrem Blog.